Als wir gegen 9:30 an der Grenze zu Peru ankommen, regnet es in Strömen. Da ich meinen Regenanzug frühzeitig angezogen habe, ist es kein Problem. Nur dass ich wie ein Michelin-Männchen verpackt die Grenzformalitäten erledigen muss, ist etwas unkomfortabel.
Die Ausreise aus Bolivien ist in ein paar Minuten erledigt. Aber bei der Immigration nach Peru läuft es aufwendig und wir werden erkennungsdienstlich viel detaillierter behandelt im Vergleich zu den bisherigen Ländern in SA. Es werden von beiden Händen der Daumen und der Zeigefinger gescannt und auch ein Gesichtsfoto aufgenommen. Nach einer Stunde sind aber alle Grenzformalitäten erledigt und wir können uns aufmachen, Peru zu entdecken. Ich bin schon sehr gespannt.
Unser erstes Ziel in Peru ist die Stadt Puno am Titicaca See mit den schwimmenden Inseln der Urus und ihren sehenswerten Booten aus Stroh. Anschließend soll es weiter nach Arequipa, der zweitgrößten Stadt Perus gehen.
Ich muss gestehen, von der Stadt Arequipa hatte ich vorher noch nichts gehört und dementsprechend für mich ein unbeschriebenes Blatt. Um nach Arequipa zu gelangen, gilt es eine Tagesetappe von 480km zu bewältigen. Eigentlich kein Problem …
Von der Grenze führen uns die 130 und anschließend die 3S über gut asphaltierte Straßen und wenig Verkehr nach Puno. In Puno empfängt uns der Karneval und wir versuchen uns irgendwie an den Straßensperren vorbei zu mogeln, aber mit wenig Erfolg. Nach einigen Kilometern stecken wir mitten in den Umzügen und es geht gar nichts mehr. Wir müssen unser Ziel aufgeben, zu den schwimmenden Inseln zu fahren und versuchen nur noch aus der Stadt heraus zu finden. Ich muss gestehen, wir haben uns gegen alle Verkehrsregeln auf die indische Art durchgedrängelt, quer durch die Fußgängerzonen, den Marktständen und den engen Gassen. Enduro kann notfalls auch Eisenbahnstrecke, fühlt sich nur an wie Wellblechpiste. Die sonst eher gelassenen Peruaner lassen sich zu einem Kopfschütteln oder ungläubigen Blicken hinreißen. Aber was solls, der Zweck heiligt ja oft die Mittel (Wege) und hier kennt mich ja keiner ;).
Nachdem wir wieder aus Puno heraus gefunden haben, ist das Ziel Arequipa. Gemäß Straßenkarte und Navi führt die Etappe über gut ausgebaute Straßen und sollte mit 320km kein Problem sein. Der Wetterbericht deutet aber Regen und niedrige Temperaturen an.
Und so machen wir uns auf den Weg. Ab Juliaca ist die 34A autobahnmäßig ausgebaut und wir kommen gut voran. Als Motorradfahrer brauchen wir in Peru keine Maut zu bezahlen und werden an den Mautstellen um die Absperrungen herum geleitet. Nach rund 35km kommen wir in die Berge und der Höhenmesser klettert von 3900m höher und höher bis auf 4900m. Wir sind halt in den Anden, hatte ich fast vergessen. Landschaftlich bietet sich uns was das Herz begehrt, Schluchten, Flusstäler und abwechsungsreiche Bergformationen und natürlich kurvenreiche Straßen. Aber der Genuß findet nach einiger Zeit ein Ende durch den einsetzenden Regen und die Temperatur sinkt auf nur noch +1°. Irgendwann geht der Regen dann noch in leichten Hagel über. Gefühlt befinde ich mich seitdem im Grenzbereich. Nicht nur dass die Hände trotz Griffheizung kalt sind, sondern auch das Visier mit Pinlock beschlägt ständig, sodass ich nur mit leicht geöffnetem Visier fahren kann. So fahren wir gefühlt 200km auf über 4500m Höhe durchnässt und durchgeforen durch die Anden. Das Kopfkino fängt dann auch noch an …, was wäre wenn jetzt die Maschine stehen bleibt, oder mich ein LKW übersieht, oder ich von der Straße abkomme und und und. Durchhalten heißt die Parole und irgendwann müssen wir ja Arequipa erreichen. Die Stadt liegt ja auf 2300m Höhe und ist bestimmt viel wärmer als es hier oben auf dem Hochplataue der Anden ist. Dann ist es geschafft und wir schrauben uns über Serpentinen herunter in die Tiefebene von Arequipa. Die Temperatur steigt wieder über 20° und der Regen hört auf.
Endlich kommen wir in unserem geplanten Hotel an und können einchecken. Schnell ziehen wir uns auf das Zimmer zurück und ich genehmige mir erst mal eine heiße Dusche. Jetzt ist alles wieder gut. Auch Carlos ist deutlich anzumerken, dass er froh ist, dass alles überstanden ist und sein Motorrad, die 660 Tenere, durchgehalten hat. Ich bin froh, dass ich diese Strecke nicht alleine bewältigen musste.
Schnell haben wir uns wieder erholt und nachdem die nasse Motorradkluft gegen trockene Sachen getauscht sind, gehen wir auf Entdeckungstour und zum zentralen Platz, der Plaza de Armas. Wow, Arequipa ist eine tolle Stadt und im Stadtkern können wir den kolonialen Baustil und die Lebendigkeit der hier lebenden Menschen genießen. Wir beschließen spontan, für mehrere Tage in Arequipa zu bleiben und uns von der Stadt treiben zu lassen. Auch an Sehenswürdigkeiten bietet Arequipa einiges wie die Kathedrale, das Kloster Catalina usw.
Nach einigen Tagen zieht es uns dann doch wieder weiter. Der Spruch, den Carlos dann immer zum Besten gibt lautet: Auf, es geht weiter, wir sind hier doch nicht im Urlaub …
Bisher haben wir in Südamerika in freier Wildbahn noch keine Kondore gesehen. Gemäß Reiseführer soll das Colca Tal ideal sein, um Kondore zu Gesicht zu bekommen. Da das Colca Tal auf dem Weg Richtung Cosco und dem Macchu Picchu liegt, fällt uns die Entscheidung nicht schwer. Der Ort Chivay scheint uns gut gelegen, um von dort aus das Colca Tal zu erkunden und die größten Vögel der Erde zu Gesicht zu bekommen. Zur Etappe von Arequipa nach Chivay mit 170km gibts nicht viel zu berichten. Die Straßenverhältnisse sind gut asphaltiert und kurvenreich. So kommen wir am frühen Nachmittag in Chivay an und können im Straßencafe gemütlich einen Cappo genießen. Da der Tag noch „jung“ ist und die Sonne scheint, entschließen wir uns, heute noch einen Ausflug ins Colca Tal zu wagen. Gesagt, getan.
Bei dieser Ausfahrt hat mich mein Navi auf Abwegen geführt und dadurch ergab sich eine kleine ungeplante fahrerische Herausforderung. Auch das gehört zum Reisen dazu!
Für den kommenden Morgen planen wir früh zu starten, um Kondore beobachten zu können. Aber irgendwie hat es mit dem frühen Aufstehen nicht funktioniert und die Wetteraussichten kündigen Regen und bewölkten Himmel an.
Kurzerhand haben wir unseren Plan verworfen und den Beschluß gefasst, weiter zu reisen nach Q’eswachaka, um uns dort eine alte Inkabrücke aus handgeflochtenen Seilen anzusehen. Die Strecke mit runde 260km scheint uns gut fahrbar zu sein, obwohl die Straßenkarte von Reiseknowhow uns auf große unasphaltierte Abschnitte hinweist.
Und los gehts. Aber ab Sibayo ist die Straße keine Straße mehr und die 111 ist nur noch eine einzige Schlaglochpiste mit Wasserdurchfahren, Sandabschnitten usw. Nach 2 Stunden mühsamer Fahrt haben wir gerade mal 60km zurück gelegt. Der Himmel kündigt mit dunklen Wolken in unsere Fahrtrichtung nichts Gutes an. Nach knapp 90km am Abzweig auf die 131 am Rio Aqurimac gibts dann keine Brücke mehr, über die wir weiter nach Yauri und Q’eswachaka hätten fahren können. Die Brückenbauer, die hier mit Radlader und LKWs am Werke sind signalisieren uns, dass wir hier mit den Motorrädern nicht durchfahren können. Einer der Bauarbeiter kommt zu uns und bietet uns an, uns per Radlader rüber zu transportieren. Leider ist die Schaufel zu klein für unsere Motorräder, sodass das auch keine Lösung ergibt. Widerwillig treten wir die Rückfahrt nach Chivay an und müssen in Chivay eine weitere Nacht verbringen.
Mit frischem Mut starten wir am anderen Morgen einen neuen Versuch aus dem Colca Tal wieder heraus zu kommen. Aber der Umweg über die 34E mit einer Etappe von 260km hält für uns ebenfalls sehr lange Pistenabschnitte bereit, sodass ich am Ende des Tages im Schulter- und Rückenbereich völlig steif bin und sich ein ordentlicher Muskelkater ankündigt …
Wie es weiter geht, berichte ich dann in meinem nächsten Blogbeitrag.